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Schaus Caroline Mina


Die drei Schwestern

Die drei Schwestern 

°*° 

ES WAREN EINMAL in einem weit entfernten Dorf, in welchem immer die Sonne schien, drei Schwestern, die sich wie ein Ei dem andern glichen, doch deren Herzen so unterschiedlich waren wie die Sonne, der Mond und die Sterne. Niemand kannte ihre Namen, ja, die restlichen Dorfbewohner wussten nicht einmal, wie alt sie waren, doch jeder wusste, wer sie waren.  

Die Dorfbewohner sahen die drei Schwestern nie zusammen, da sie nie zur gleichen Zeit am gleichen Ort waren. Ja, man hätte fast meinen können, dass sie eine Person wären, wenn sie nicht so unterschiedlichen Herzens gewesen wären. 

Die Älteste war die Freundlichste. Sie hatte ein gutes und offenes Herz, das immer allen zuhörte und auf jedes Problem eine Lösung bereithielt. Die älteste Schwester war hilfsbereit, fleißig, gutmütig und gerecht. Jeder mochte sie, selbst die Tiere aus dem dunklen, gefährlichen Wald, der das Dorf umschloss. Wo auch immer sie auftauchte, zauberte sie den Gestalten ein Lächeln aufs Gesicht, so wie ihr eigenes, welches selbst die Sonne erblassen ließ. 

Die Schwester, welche weder die älteste noch die jüngste war, war die fröhlichste. Ihr Herz war für alle Lebewesen offen. Sie glich einem Wirbelwind, welcher durch die Straßen fegte und bei jedem einen Funken Hoffnung und Freude hinterließ. Die mittlere Schwester war die lebensfrohste der drei und überall wo sie gesehen wurde, waren die Menschen fröhlicher und voller Zuversicht, so als hätten sie bemerkt, dass selbst in der dunkelsten Stunde der tiefschwarzen Nacht der Mond noch schien. 

Die jüngste Schwester war die gefürchtetste. Ihr Herz war verbittert und verschlossen. Sie hegte ein solches Misstrauen gegenüber allem, was lebendig war, dass sie, wenn sie sich in dem kleinen, zauberhaften Dorf blicken ließ, nie ein Wort mit jemandem wechselte. Und wenn, gleich wer, es wagte, sie anzusprechen, dann verfluchte sie denjenigen, bis dieser vor Angst zurückwich. Für die Dorfbewohner war sie wie die knurrenden Wölfe, die sich des Nachts aus dem Wald ins Dorf schlichen. Gleich wie freundlich sie auch waren, die Jüngste lies nicht zu, dass man sich ihr näherte. Und so waren auch die Dörfler bald mit Misstrauen gefüllt, und die jüngste Schwester blieb verschlossen und geheimnisvoll, ebenso wie die Sterne, die nachts den Himmel erleuchteten.  

Und so lebten die drei Schwestern jahrelang friedlich mit den Dorfbewohnern zusammen, bis eines warmen Sommertages das Heim der Geschwister von Flammen erfasst wurde. 

Schreiend rannten sie aus ihrer Hütte am Rande des Dorfes. Sie weinten und schrien, doch die Schwestern konnten nichts tun, sie mussten zusehen, wie ihr ganzes Hab und Gut von der roten Feuersbrunst zerstört wurde.  

Das Dorf war erschüttert. Wer oder was konnte so etwas getan haben? Etwa der Bäckersjunge, der nur Flausen im Kopf hatte? Oder der Wirt, welcher öfter betrunken war als Bäume im dunklen Wald standen? Oder doch etwas, was aus dem großen, dunklen Wald gekommen war? Sie wussten es nicht. 

Doch erschütterter als das Dorf, waren die drei Schwestern, welche weinend vor den Trümmern ihres Heimes standen. Sie weinten und jammerten, und fragten sich, wer denn so böse, so herzlos sein, und einfach ihr Daheim, ihren Besitz und all ihre Arbeit zerstören konnte.  

Doch bald schon begangen die Schwestern damit, sich ein neues Daheim zubauen. Immer und immer wieder baten sie um den Beistand der Dörfler, doch diese mieden die Geschwister und so errichteten diese ihre Hütte allein. 

Denn in den Herzen der Dorfbewohner war Misstrauen gesät. Den drei Schwestern schien ein Wunder geschehen zu sein. Dem Feuer waren sie entkommen und ihr neues Heim schien schneller wieder zu stehen, als es zerstört worden war.  

Die Dorfbewohner waren sich sicher, dass dies nicht mit rechten Dingen geschehen konnte, sondern ein Werk des Teufels, ein Werk der Hexerei war.  

Und so suchten die Bewohner des Dorfes nach der Hexe, und fanden sie in den drei Schwestern, da die restlichen Dörfler sich alle kannten, und niemand von ihnen stellte in Frage, dass sein Nebenmann lügen könnte.  

,,Hexen sind die!”, grölte der Wirt, ,,Und bei ihrer Hexerei haben sie ihre Hütte abgefackelt!”.  

,,Wir hab'n Glück, dass se nicht auch noch uns're Hütt'n abgebrannt hab'n.”, meinte der Knabe des Bauers.  

Die Gemüsehändlerin rief: ,,Wir sollten sie verjagen, bevor sie uns noch verfluchen!”. 

Und so beschlossen die Dörfler, dass die drei Schwestern aus ihrem Dorf verbannt werden mussten.  

Da machten sie sich eines Nachts auf, die Schwestern zu vertreiben welche das Unheil nicht sahen, was auf sie zukam. Mit Fackeln und Werkzeug bewaffnet machte das Dorf sich auf den Weg zur Hütte der drei Schwestern, in welcher ebenjene vor dem Kamin saßen und sich Geschichten erzählten.  

Das Klopfen an der Tür riss die Geschwister aus ihren Erzählungen. Die Älteste stand auf, öffnete die Pforte und war verwundert über die vielen wütenden Gesichter, die sie erblickte. Doch noch verwunderter war sie, als ihr auffiel, was ihre Besucher bei sich hatten. 

Noch ehe die Schwester sich rühren konnte, traten die Dörfler ein und zogen sie zurück zu ihren Schwestern, welche mit besorgten Mienen vor der offenen Feuerstelle standen.  

Geschrei erfüllte die Luft mit Vorwürfen, hasserfüllte Gesichter füllten den Raum und das flackernde Licht der Fackel erzeugte unheimliche Schatten, so als ob die Geister der Zusammenkunft beiwohnen würden.  

Ängstlich standen die Geschwister inmitten aller Dorfbewohner, welche ihnen immer mehr, immer schlimmere Anschuldigungen entgegenbrüllten und den Hausrat der drei Schwestern zerstörten.  

Die Jüngste wusste sich in ihrer Verzweiflung nicht mehr anders zu helfen und fluchte den Bewohnern des Dorfes unter Tränen. 

Ihre Schwestern flehten sie an, sie solle aufhören, bevor sie noch böse Geister beschwören würde, doch die Jüngste schien wie auf einem anderen Stern gefangen, und rief ein Unwetter herauf, welch eins das Dorf noch nie gesehen hatte.  

Ein Blitz schlug in die Hütte ein, ein so großer, ein so mächtiger, ein so unnatürlicher, dass er noch bis tief in das Herz des dunklen Waldes zu sehen war.  

Der Blitz hatte alles verschlungen, was sich im Dorf befand.  

Einzig die älteste Schwester stand noch dort, wo einst ihr Heim war.  

Tränen rannen ihr die Wangen herab, und sie schwor sich, dass niemals nie jemand von dem Unglück erfahren sollte, das sich durch haltlosen Argwohn ereignete. 

Und so ging die älteste Schwester fort, weit fort, der Sonne nach in den dunklen Wald und ward nie mehr gesehen. 

ENDE 




Envoyé: 23:37 Sun, 24 March 2024 by : Schaus Caroline Mina age : 13