Zum Trotz gegen die Zeit
Heute werde ich mal nichts
Heute bin ich
Zum Trotz gegen die Zeit
Erschaffe ich mir meine eigene
kleine Unendlichkeit
in einem Vakuum voller Augenblicke
Wie gewohnt werf‘ ich einen Blick
in den Spiegel
Schau mich diesmal aber wirklich an
zeitloslang
Will in mich hineinschauen
Mein Geheimnis lüften
Augenasenmund
Stirnwangenkinn
verzerren sich
brechen auseinander
schwirren umher
...
und fügen sich
wieder zusammen.
Dann gehe ich hinaus,
raus aus meinem Kopf,
hinein in das Geschehen
setze einen Schritt vor den anderen,
so langsam bin ich noch nie gegangen
in meiner Langsamkeit kann mich
niemand einholen.
Ich streck meine Nase
in den Himmel hinauf,
will den Duft des Himmels erhaschen
und rieche zum ersten Mal
den Duft des Lebens.
Ich lege meine Hand auf
mein Herz, meinen Bauch
Fühle Wärme und Leben,
Geborgenheit in mir
Höre in der Stille
das Leben
das am Leben sein wollen
das kräftige Pochen und
ruhige Heben
Ich fühle, ich bin mit mir
nicht allein
Ein schönes Gefühl
„Ich denke
also bin ich“
Aber ich will doch
nicht aufhören zu denken
Nicht aufhören in Gedanken zu sprechen
Also klammer ich mich an Sprache
Lern sieben Sprachen
Gibt es in einer anderen Sprache
einen Weg, den es in meiner nicht gibt?
Schreib die verrücktesten Geschichten
Erzähl die ehrlichsten Gedanken
Führ die längsten Gespräche
Lese die buntesten Bücher
Probier mich in Sprachakrobatik
Studier die Grammatik
Leben, ich lebe, ich lebte, ich habe gelebt,
ich hatte gelebt, ich werde leben,
ich würde leben
versuche die Lücke zu finden,
gibt es ein Easter Egg in Sprache?
Ein Rätsel das zu knacken ist?
Und denke, denke, denke
Denke immerzu
Wenn ich immer denke
Werde ich dann immer sein?
Heute werde ich mal nichts
Heute bin ich
Zum Trotz gegen die Zeit
Erschaffe ich mir meine eigene
kleine Unendlichkeit
in einem Vakuum voller Augenblicke
Doch so langsam ich auch gehe
Und das kann ich wirklich gut
Ich weiß, irgendwann wird mich
doch etwas einholen.
Was danach ist weiß ich nicht,
ein leeres Nichts? ein stilles Paradies?
So viele Fragezeichen.
Was bleibt, ist der Zeit zu trotzen
Ich reihe ganz viele Vakuume voller Unendlichkeit
aneinander
baue einen Turm damit, eine Mauer
mein eigenes Schloss, meine Rüstung
Ich bin die Herrscherin.
Ich nehm die Sprache, das Riechen,
das Fühlen, das Tasten,
das Gehen an die Hand
an meine Hand, ich kann viel tragen.
Und schon heute – fang ich damit an.
Heute werde ich mal nichts
Heute bin ich
Zum Trotz gegen die Zeit
Erschaffe ich mir meine eigene
kleine Unendlichkeit
in einem Vakuum voller Augenblicke.