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Becker Cassandra

In welche Richtung?



Sie lief hastig durch die Straßen eines kleinen Dorfes. Der eiskalte Wind brannte auf ihrer Haut, es fühlte sich an wie tausend brennende Stiche. Sie rannte ohne jegliches Ziel vor Augen. Alles ist eine Lüge! Alles, was sie im Moment wollte, war das Weite suchen. Sie lief, ihr Atem wurde schwerer,  ihre tränengefüllten Augen versperrten ihr die Sicht. Außer Atem, die Wangen glühend, zwang sie sich, stehen zu bleiben. Sie konnte es nicht fassen, an alles was sie glaubte, jegliche Hoffnungen die sie sich gemacht hatte, einfach alles in ihrem Leben, und auch sie selbst wurden mit nur vier kleinen Worten zunichte gemacht. Vier Worte die so viel Schmerz mit sich brachten. Ihre Brust schnürte sich zu, sie hatte das Gefühl zu ersticken. Schmerz, Trauer und Wut vermischten sich zu einem giftigen Gebräu aus Hass. Hass auf die ganze Welt. Hass auf ihn. Warum ?  Wann hören diese Schmerzen endlich auf. Sie sah sich um und fühlte sich verloren. Sie wusste nicht, wohin ihre Beine sie getragen hatten. Nichts und niemand schien ihr bekannt. Sie versuchte ihre Tränen zu verbergen. Mitleid war das letzte, was sie jetzt brauchte. Ich muss weiter, sagte sie sich immer zu. Weg, nur weg von hier. Ihre Beine fühlten sich an, als wäre sie eine halbe Ewigkeit gelaufen. Sie wusste selbst nicht wie viel Zeit vergangen war. Als sie loslief, hatte sie außer ihrer  Kleider am Leib keine weiteren Gegenstände bei sich. Es wunderte sie, dass sie sich überhaupt die Zeit genommen hatte, ihre Schuhe zu schnüren. Als ihr Körper weiterlief, schienen ihre Gedanken Lichtjahre weit weg zu sein. Ihr Verstand versuchte vergebens, ihre Schuldgefühle zu unterdrücken. Schuld! Wer trägt eigentlich die Schuld? Würde ein anderer Sündenbock ihr Gewissen bereinigen, ihre Schmerzen lindern oder würde ihr Hass sich auf diese eine Person richten und somit ihr Leben bestimmen. Erinnerungen wurden wach gerufen, jegliche Möglichkeit in Erwägung gezogen. Wo war der Fehler? Um sie herum versank die Welt in Dunkelheit, es wurde still. Nur der Aufprall ihrer Füße auf dem Asphalt und ihr eigener Herzschlag waren zu hören. Sie blendete ihre Außenwelt komplett aus. Schneller, schneller musst du laufen, sagte ihr eine innere Stimme. Lauf, sonst wird sie, die nackte Wahrheit, dich finden. Sie wollte  nicht gefunden werden, sie wollte dem Schmerz entkommen. Niemand sollte sie jemals wieder verletzen, hatte sie sich geschworen. Ihr Herz hatte sie verschlossen, niemand sollte es jemals wieder öffnen.  Ihr Körper war mit unzähligen unsichtbaren Narben versehen. Narben, die nur sie sehen konnte. In Einsamkeit hatte sie ihr Leben verbracht. Aus Angst vor ihrer Mutter verließ das junge Mädchen, mit fünfzehn Jahren ihr Zuhause und zog zu ihrem Vater, der mit aller Kraft versuchte ihr Herz zu öffnen. Es versuchte wieder Fuß zu fassen, einen neuen Anfang zu wagen. Der Vater gab ihm Halt, Sicherheit und Geborgenheit. Er schenkte dem Mädchen Aufmerksamkeit, in einer Zeit der Verzweiflung. Durch ihn konnte sie wieder aus ganzem Herzen lachen. Ihr Herz stand nun weit offen. Schmerz, das Herz wurde schwer. Sie griff sich an die Brust. Diese Schmerzen, als würde jemand versuchen mit Gewalt ihr Herz zu entnehmen, als würde jemand sich damit vergnügen mit einem Messer aber Male darauf einzustechen. Er ist TOT!? Dein Vater ist tot! Die weinende Stimme der Schicksalsbotin ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen, ein salziger Geschmack benetzte ihre Lippen. Als sie einen klaren Gedanken fassen konnte, bemerkte sie, dass sie sich mitten auf einer Brücke befand, unter ihr war das laute Getöse vorbeifahrender Autos zu hören. Ein Gedanke kam ihr in den Sinn, den sie schon jahrelang mit sich trug, doch immer zu unterdrücken versuchte. „Zwei Schritte und du wirst nichts fühlen, zwei Schritte lösen dich von deinem Leid.“ Der erste Schritt wart aus Verzweiflung getan. Nun stand sie, mitten in einer Stadt, die sie nicht kannte, umgeben von Menschen, die ihr fremd waren. Verlassen, verletzt und einsam steht sie nun da. Ein weiterer Schritt würde alles beenden, würde sie wieder vereinen; ein letzter Schritt. Der letzte Schritt stand ihr noch bevor.




Envoyé: 15:31 Fri, 3 April 2015 par: Becker Cassandra