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Salomon-Siebenaller Toni


Der rote Drache

Er beschützte mich, als ich im Kindergarten ausgelacht wurde, spielte mit mir im Pausenhof, der zu einem Ort mit unzähligen Abenteuer wurde. Gemeinsam erkundeten wir die Rutsche die sich sogleich in einen Regenbogen verwandelte. Er war mein bester Freund, auch wenn er für alle anderen unsichtbar bleib. Ich nannte ihn Drache.

 

Mit neun Jahren, als ich in der Schule lernte, dass Drachen eigentlich böse Wesen sind, die Prinzessinnen fressen, veränderte sich mein Freund in meinem Kopf : sein Maul wurden zu einem majestätischen Schnabel und seine Schuppenhaut verwandelte sich in rote Federn. Dennoch bleib er mein Drache, hinter dem ich mich verstecken konnte, wenn ich hin und wieder ein Glas ohne Absicht fallen ließ.

 

Die Tage vergingen, und ich sollte aufs Gymnasium gehen. Drache begleitete mich bis zur Tür, konnte jedoch nicht weiter. Als ob eine Mauer ihn hinderte, mir zu folgen. Nach der Schule traf ich Drache hin und wieder, als ich nach Hause kam. Jedoch ignorierte ich ihn, da er mir als unreal existierendes Wesen bei den Matheaufgaben nicht helfen konnte. Und in Liebesgeschichten wollte ich sowieso keine Ratschläge von ihm hören. Drache wusste zu diesem Thema eh nichts.

 

Die Jahre vergingen. Auch wenn Drache oft abwesend war, wusste ich, dass die Welt, die nur er und ich kannten, noch immer in meinem Gedächtnis existierte. Aber mir kam es vor, als ob mein Freund mit jedem Jahr weiter wegflog.

 

Als ich erwachsen wurde, war Drache schon so weit geflogen, dass ich ihn vergessen hatte. Wäre er nur in meiner Nähe geblieben, hätte er mir in aussichtslosen Momenten helfen können. Doch hätte ich Drache  überhaupt zugehört ? Mit all diesen neuen Aufgaben hätte ich seine Anwesenheit bestimmt nicht wahrgenommen. Ich verließ endgültig die Welt meines Freundes, als die Elternsorgen mein Leben belasteten.

 

Ich mochte es, draußen spazieren zu gehen, wenn die Kinder in der Schule waren. In diesen ruhigen Momenten beobachtete ich die wenigen Vögel, die trotz der Kälte hier blieben. Nach einigen Jahren, kam es mir vor, etwas zu erblicken, das ich schon gesehen hatte und ich bei mir haben wollte. Es waren aber nur rote Blätter, die von Bäumen fielen.

 

Je öfter ich den Spaziergang machte, desto mehr wünschte ich mir, einen schönen roten Adler zu entdecken. Aber es waren immer irgendwelche Vögel, die nach kurzer Zeit von ihrem Ast verschwanden und mir keine Beachtung schenkten. So wie meine Kinder es gemacht hatten. Sie brauchten mich nicht mehr, denn sie hatten nun ihre eigene Familie und eigene Probleme. Dafür hatte ich keine Probleme mehr, aber auch keine Familie.

 

Mein Mann war der nächste, nach den Kindern, der mich verließ. Ich war einsamer denn je. Doch jeder Tag, der mich von seinem Tod entfernte, empfand ich eine unwiderstehliche Sehnsucht. Nur wusste ich nicht, was genau. Irgendwie hatte ich immer die rote Farbe im Kopf. Ich wollte, dass der verlorene Teil von mir zurückkehrte.

 

Etwas eilte auf mich zu. Meine Augen wurden klarer und ich erkannte meinen machtvollen Freund. Drache war wieder da. Er flog mit schnellen Zügen auf mich zu, schneller als ich ihn je hatte fliegen sehen. Ich wusste, dass er in seiner ganzen Pracht wieder kommen würde. Also streckte ich mühsam die Arme aus, spreizte mit meiner letzten Kraft die Finger, um Drache in meinen Händen zu begrüßen. Ich glaube an Drachen. In meiner Hand fing er Feuer. Rote Flammen schossen aus seinem Gefieder hervor und schlossen mich wie ein Flammenmeer. Auch wenn ich wusste, dass Drache gerade verbrannte und seine Glut mich mit sich riss, war es ein aufwärmendes und freundliches Feuer. Ich hatte noch nie so ein schönes rotes Feuer gesehen.




Envoyé: 13:48 Tue, 13 February 2024 by : Salomon-Siebenaller Toni age : 16